Spagat zwischen Haushaltskonsolidierung und Investitionen

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz: „Die Koalition wird gute Arbeit leisten“

Olaf Scholz gehörte zu den engsten Vertrauten von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Als Arbeitsminister in der Großen Koalition der Jahre 2005 bis 2009 war Scholz maßgeblich daran beteiligt, die Rente mit 67 durchzusetzen. Darüber hinaus gilt der Hamburger Erste Bürgermeister als ein Mann der Tat. Nach schweren Krawallen und Angriffen auf Polizisten waren in der Hansestadt „Gefahrengebiete“ eingerichtet worden, in denen Passanten ohne Anlass kontrolliert werden durften. Kritik an seinem Vorgehen lässt Scholz nicht gelten. Es sei Aufgabe der SPD, für Recht und Ordnung zu sorgen, so seine kompromisslose Haltung. Der SPD-Politiker wird gern mit dem Satz zitiert: „Ich bin liberal, aber nicht doof.“ In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte er kürzlich, dieser Satz gelte auch heute. Und noch etwas wird Olaf Scholz zugeschrieben, wie enge Mitarbeiter zu berichten wissen: Sein ausgeprägter Hang zur Pünktlichkeit und zur Grundsatztreue, einmal getroffene Vereinbarungen auch penibel einzuhalten.

Gemeinsames Handeln und Regieren

Dass für Olaf Scholz Pünktlichkeit die Höflichkeit der Könige ist, konnten die BDS-Vertreter Günther Hieber, Hans-Peter Murmann und Joachim Schäfer am eigenen Leib erfahren, als sie von Hamburgs Ersten Bürgermeister exakt auf die vereinbarte Minute im Bürgermeisteramtszimmer, in dem auch das Goldene Buch der Hansestadt Hamburg seinen Platz hat, empfangen wurden. Und die BDS-Vertreter konnten sich zu Beginn des Gespräches ein Bild darüber verschaffen, was Olaf Scholz unter Grundsatztreue versteht. Er sei sich sicher, dass die Große Koalition gute Arbeit leisten und bis zum Ende der Legislaturperiode Bestand haben werde. Gesamtstaatlich gesehen seien alle bisherigen Großen Koalitionen ein Erfolg gewesen, unterstrich Scholz und verwies auf die Koalitionsverhandlungen, die trotz vorhandener Unterschiede und gegensätzlicher Motive gezeigt hätten, dass politisches Handeln und gemeinsames Regieren möglich seien. Dies habe sich auch bei der Frage eines Mindestlohns von 8,50 Euro herauskristallisiert, so Scholz weiter.

Problematische Ausnahmen

Bei diesem Thema meldeten die BDS-Vertreter Gesprächsbedarf an. Es könne aus Sicht des Verbandes nicht angehen, Zeitungsboten, Rentner oder Schüler und Studenten, die in den Ferien jobbten, beziehungsweise Praktikanten, die kaum in der Lage seien, produktive Arbeit zu leisten, einen Mindestlohn von 8,50 Euro zuzubilligen. Wenn derartige Ausnahmen beim Mindestlohn nicht zugelassen würden, sei zu befürchten, dass besagter Personenkreis nicht mehr eingesetzt werde, argumentierte Joachim Schäfer. Für Olaf Scholz stellen sich Ausnahmen immer problematisch dar. Dies sei bei Steuersubventionen so und müsse auch für den Arbeitsmarkt Gültigkeit haben. Es könne nicht sein, dass nur deshalb Rentner beschäftigt würden, weil dieser Personenkreis billiger sei als andere Arbeitnehmer, hob Scholz hervor. Deshalb dürfe es Ausnahmen nur dort geben, wo sie einen Sinn machten, betonte Scholz und nannte in diesem Zusammenhang die Entlohnung von Auszubildenden, für die es andere Regeln geben müsse. Zudem seien weitere Ausnahmeregelungen bereits im Koalitionsvertrag getroffen worden, stellte Scholz klar.

Verständnis für BDS-Forderung

Wie bei allen politischen Gesprächen thematisierten Hieber, Murmann und Schäfer die kalte Progression, beziehungsweise die in ihren Augen notwendige Begradigung des sogenannten Mittelstandsbauches. Es müsse auch im Interesse der Sozialdemokraten sein, dass kleine und mittlere Einkommen nicht überproportional belastet würden und der Finanzminister von jedem hinzuverdienten Euro das meiste abgreife. Olaf Scholz machte deutlich, dass er durchaus Verständnis und auch Sympathie für die BDS-Forderung habe. Die exorbitant hohe Staatsverschuldung in Deutschland führe allerdings dazu, in dieser Frage keine weiteren Zugeständnisse machen zu können. Der Bund habe sich die Aufgabe gestellt, die Verschuldung auf 0,35 Prozent des Sozialproduktes zu begrenzen. Zudem dürfe im Rahmen des Fiskalpaktes die Gesamtverschuldung von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen 0,5 Prozent des Sozialproduktes nicht übersteigen. Außerdem strebe die Koalition an, den Schuldenberg Stück für Stück abzutragen. Deshalb gebe es keinen Spielraum für Steuervergünstigungen, auch wenn diese wünschenswert seien, konkretisierte Scholz seine Argumente. Gleichwohl halte die Große Koalition an dem Ziel fest, neue Aufgaben zu schultern, am Ziel der Haushaltskonsolidierung festzuhalten und gleichzeitig auf Steuererhöhungen zu verzichten.

Zähe Verhandlungen

Wie schwierig es aus Sicht der Bundesregierung ist, diesen Spagat zwischen Haushaltskonsolidierung und notwendigen Infrastrukturmaßnahmen hinzubekommen, untermauerte Olaf Scholz an einem Beispiel: Parteiübergreifend sei von den Verkehrsministern von Bund und Ländern ein Betrag von sieben Milliarden Euro jährlich für die Instandhaltung der Verkehrsinfrastruktur benannt worden. Nach zähen Verhandlungen sei dann im Koalitionsvertrag vereinbart worden, für die gesamte Legislaturperiode lediglich fünf Milliarden Euro bereitzustellen.

"Bebel war Handwerker"

Im weiteren Verlauf des Gespräches machten die BDS-Repräsentanten Olaf Scholz den Vorhalt, dass in dem Wirtschaftsprogramm der SPD der Begriff Mittelstand vernachlässigt werde und dass sich die Sozialdemokraten in ihren Aussagen mehr auf die Großkonzerne konzentrierten. Dieser Kritik widersprach Olaf Scholz vehement, weil nach seinen Worten der Mittelstand für die SPD schon historisch eine große Rolle spiele. „Der Mitbegründer der Sozialdemokratie August Bebel war Handwerker.“ Deshalb werde der Mittelstand durch die SPD immer mitverkörpert – und dies werde sich auch in Zukunft nicht ändern, so das Credo des SPD-Spitzenpolitikers. Er werde sich aber gerne dafür einsetzen, dass es zu vertiefenden Kontakten zwischen dem BDS und der Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen in der SPD kommen werde, bot Scholz seine Vermittlungstätigkeit an. „Ich bin gern bereit, ganz altmodisch den Postboten zu spielen.“

Prüfung der BDS-Papiere

Zum Abschluss des Gedankenaustausches übergab BDS-Präsident Günther Hieber dem hanseatischen Frontmann die Arbeitspapiere des Verbandes zur Reform der Gewerbesteuer und Zurückverlegung des Sozialabgabetermins. Scholz sagte zu, die BDS-Vorschläge durch seine Fachabteilungen einer eingehenden Prüfung zu unterziehen und dem Verband dann eine abschließende Stellungnahme zukommen zu lassen.

A.S.